Baulogistik & Verkehr

Der Supergau für Tegernsee

lkw tegernsee westerhof baustelle
Der Irrsinn um den Bebauungsplan Nr. 52, Westerhof in Tegernsee, nimmt kein Ende. Neben den geologischen Risiken droht der Baustellenverkehr während der jahrelangen Bauphasen zum Verkehrs- und Umwelttechnischen Supergau für ganz Tegernsee zu werden. 
Dabei ist das vom Vorhabenträger A. Greither in Auftrag gegebene „Baustellen-Logistik Gutachten“ derartig lebensfremd, dass man sich ernsthaft fragt, ob der Verfasser die Örtlichkeiten überhaupt jemals persönlich gesehen hat.

Realitätsverweigerung & Augenwischerei

Allein die Grundannahmen, auf welche sich das Gutachten bezieht, sind an Realitätsferne kaum zu überbieten.

Die innerstädtische Großbaustelle

Ausgangspunkt des Logistik Gutachtens ist, dass es sich bei der Baustelle um eine „innerstädtische“ Großbaustelle handele. Ganz offensichtlich ist es aber keine innerstädtische Großbaustelle, sondern eine Großbaustelle am Rand eines heilklimatischen Kurortes in den Voralpen, am Übergang einer lockeren Bebauung zum Außenbereich an einem exponierten Steilhang. Logistische Steuerungen, die an „innerstädtischen Großbaustellen“ möglich wären, sind hier schlicht nicht möglich.

LKWs aus dem Nichts

Der selektive Fokus des Gutachtens, sich überwiegend auf die Engstelle Olaf- Gulbransson-Straße zu beziehen, offenbart die nächste Augenwischerei. Als ob die Massen an LKWs (20,000 +) und anderen Baustellenfahrzeugen an der Gaststätte Lieberhof vom Himmel fallen würden. Lebensfremder geht es nicht mehr. Denn natürlich müssen die Baustellenfahrzeuge von der Bundesstraße aus entweder über die 

LKW Tsunami in Tegernsee

Bahnhofstraße und/oder die Hochfeld- und Karl-Theodor-Straße fahren, um dann die lange, kurvenreiche und steile Neureuthstraße hinaufzufahren. Gleichzeitig gibt es jene Baustellenfahrzeuge, welche bereits wieder auf dem umgekehrten Weg zur Bundesstraße sind. Ein permanentes Auf und Ab. Das bedeutet aber nicht nur eine massiv steigende Verkehrsbelastung für den gesamten Ort. 

Dies sind vor allem auch die Hauptfußgängerstraßen für die Tegernseer Schüler und Kindergartenkinder.

Sicherer Schulweg in Gefahr?

Hier wird auf Jahre für Fußgänger und Passanten eine Gefahrenquelle geschaffen, die für einen Ort dieser Größe ihresgleichen sucht. Denn die verkehrstechnisch bereits problematische Großbaustelle Quartier Tegernsee (s. Bild) war im Vergleich zum anstehenden Megaprojekt Westerhof eher ein Kleinvorhaben. Das 7.500 Quadratmeter große Areal in der Bahnhofstraße benötigte seinerzeit ca. 10.000 LKW’s. Demgegenüber steht nun das 65.000 Quadratmeter große Westerhof-Areal. Und man ahnt es bereits:: Da rollt ein Verkehrs-Tsunami auf Tegernsee zu.

Großbaustelle Quartier Tegernsee, Bahnhofstrasse. Quelle: Tegernseer Stimme
Großbaustelle Quartier Tegernsee, Bahnhofstrasse. Quelle: Tegernseer Stimme
Winterzeit am Tegernsee
Schneeketten
winter neureuthstrasse
winterdienst
winter olaf gulbransson strasse

Dieses vom Vorhabenträger in Auftrag gegebene Baulogistik-Gutachten ermittelt einen durchgängigen Bauzeitraum von 42 Monaten (3  1/2 Jahre) unter völliger Ausblendung der winterlichen Verhältnisse am Neureuther Berg. Da die Neureuthstraße extrem steil ist, werden für diese nicht umsonst von November bis März Schneeketten durch das angebrachte Verkehrszeichen 268 empfohlen. Ohne Schneeketten oder Allrad können schon PKWss die Strecke wegen des starken Gefälles oft nicht meistern. Wie bitte soll das von LKWs und anderen Baustellenfahrzeugen bewerkstelligt werden? Realitätsnah hingegen ist, dass sich die Bauzeit dadurch deutlich verlängern wird. Nüchtern betrachtet wird sich der Bauzeitraum damit nicht über 3 1/2, sondern über mindestens 5 Jahre + X  hinziehen. 

Diese Bauzeit, die aber noch keine sonstigen Verzögerungen mit einkalkuliert hat, liegt damit bereits mehr als ein ganzes Jahr über der nach dem Durchführungsvertrag vorgegebenen Höchstbauzeit von 4 Jahren. 

Do the Math! 

Mehr als 20.000 LKW's, plus Schwerlast-Großfahrzeuge, werden viele Jahre lang durch Tegernsee rollen
Mehr als 20.000 LKW’s, plus Schwerlast-Großfahrzeuge, werden viele Jahre lang durch Tegernsee rollen

Das Gutachten geht etwa für die Bauphase 2 von 40 LKWs pro Tag aus, welche durch den Ort auf die Baustelle am höchsten Punkt in Tegernsee fahren – und wieder zurück. Das sind 40 Fahrten bergauf und 40 Fahrten bergab. Insgesamt sind das also 80 Lkw-Fahrten pro Tag, wobei Schwerlast-Großfahrzeuge und weiterer, umfangreicher Baustellenverkehr noch gar nicht inbegriffen sind!

Das Gutachten rechnet vor, dass diese o.g. 80 Lkw-Fahrten pro Tag 4 Lkw-Fahrten pro Stunde ergeben. Das entspräche aber einer Arbeitszeit von 20 Stunden am Tag.

Nimmt man hingegen realistische Arbeitszeiten an, verteilen sich die 80 Lkw-Fahrten auf ca. 10 Fahrten pro Stunde. Da sich die Fahrten in der Baustellenwirklichkeit nicht linear verteilen ist üblicherweise ein Zuschlag von 50% anzusetzen – was zu ca. 15-LKW Fahrten je Stunde führt. 

Das bedeutet bspw. für die Hochfeld-, Karl-Theodor-, Neureuth- und Olaf Gulbransson Str.: 
Alle 4 Minuten rollt ein LKW. 

+ Schwerlast-Großfahrzeuge

Gar nicht im Gutachten eingerechnet sind sogenannte „Schwerlast-Großtransporte“. Das Gutachten spricht lediglich davon, diese auf das notwendige Maß begrenzen zu wollen. Aber was heißt das konkret? 10? 100? 1000 solcher Fahrten? Nicht umsonst wurde die Olaf-Gulbransson-Straße nicht nur erneuert, wie den Anwohnern ursprünglich suggeriert wurde, sondern wie sich später herausgestellt hat, fit gemacht für die Befahrung mit 40 Tonnern und anderen Schwerlast-Großfahrzeugen.

Was so ein Schwerlast-Großfahrzeug auf der steilen Neureuthstraße bedeutet, konnten bereits im letzten Jahr Anwohner und andere Betroffene miterleben:

Ein Schwerlast Sattelzug, der Teile eines Pools zu einem Gebäude in der Vogelweidestr. bringt.
Ein Schwerlast Sattelzug, der Teile eines Pools zu einem Gebäude in der Vogelweidestr. bringt.

Die Neureuthstraße war dabei für fast 2 Stunden gar nicht passierbar. Ganz schnell vor Ort war damals Bürgermeister Johannes Hagn, welcher sich auch gleich heftigst über den Auftraggeber empörte. Die 20.000 plus LKWs und zahllosen Schwertransporte, welche nicht nur die Neureuth- und Olaf-Gulbransson-Straße, sondern den ganzen Ort für Jahre lahm legen sowie den Schulweg deutlich gefährlicher machen werden, scheinen Herrn Hagn indes nicht sehr zu stören.  

+ Weiterer Baustellenverkehr 

Neben LKW- und Schwerlastverkehr produziert die Baustelle „Westerhof“ weitere erhebliche Verkehrsbelastungen.

Allein die Baustellenbesetzung durch Bauarbeiter wird mit bis zu 300 Personen angegeben.
 

So wird in dem Gutachten beschrieben, dass „das Personal in der Regel mit Kleinbussen und Transportern auf die Baustelle kommt, die mit 3 bis 6 Personen besetzt sind“. Es wird also in Hochzeiten mit einer Gesamtzahl von ca. 70 Fahrten bergauf und 70 Fahrten bergab zusätzlich zu rechnen sein. Nur für die Bauarbeiter. Das ist aber noch lange nicht alles:

  • Um Versorgungsfahrten der Bauarbeiter „gering“ zu halten, soll eine Sozialcontainer-Anlage errichtet werden. Aber auch diese muss täglich mehrfach beliefert werden.
  • Hinzu kommen laut Gutachten die Steuerung der „Entsorgungsströme“, also die Müllentsorgung. Auch hier bedeutet das: mehrfache Entsorgungsfahrten täglich.

Weiterer zusätzlicher Verkehr wird gemäß Gutachten erwartet durch:

  • Lieferungen für Kleinmaschinen und andere Baumaterialien
  • Paketdienste/ Kuriere und Expresslieferungen für die Baustelle
  • PKW-Verkehr durch firmeneigenes Bauleitungspersonal, externe Handwerker, Ingenieure, Gutachter, Berater, Vertreter usw., usw.

All diese Punkte werden im Gutachten zwar erwähnt, ohne aber konkrete Mengenangaben zu benennen. 

Eines hingegen aber ist sicher: Wir sprechen hier von einer astronomisch hohen Menge an zusätzlichen LKW- und PKW-Fahrzeugen pro Tag, welche durch den Ort Tegernsee auf und ab fahren werden. 
 

Da sollen dann Pfortencontainer mit Kurzparkmöglichkeiten und Wartebereichen für LKWs in der Neureuthstraße errichtet werden – auf einer Straße mit einer durchschnittlichen Steigung von mehr als 15% und regem Ausflugsverkehr! Weiter sollen externe Parkplatzflächen zur Verfügung gestellt werden. Wo konkret? Keine Angabe. Ferner wird ernsthaft in Erwägung gezogen, Anlieferungen zusätzlich mit Baukran und Überschwenken von Privatgrundstücken zu bewältigen. 

+ Tourismus und Ausflugsverkehr

Eigentlich sollte auch Münchner Gutachtern bekannt sein, dass der Neureuth-Berg einer der beliebtesten Münchner Ausflugsorte ist. Neben anderen Urlaubern tummeln sich hier bereits bei halbwegs schönem Wetter unzählige Wanderer, Tagesausflügler, Familien und Radfahrer. Hinzu kommen die Besucher des bekannten Gasthauses „Lieberhof“ und, weiter unten, des Hotels „Das Tegernsee“. 

Neben dem „ungeregelten Anwohnerverkehr“ kommt an schönen Tagen auch ohne die Großbaustelle „Westerhof“ die Neureuthstraße an ihre verkehrstechnische Grenze. Auch diese Faktoren werden von dem Gutachten vollständig ignoriert. Hinzu kommen in Zukunft noch andere Bauprojekte, wie etwa das Almdorf oder auch bereits genehmigte Neubauten, welche in den nächsten Jahren errichtet werden sollen. Auch dieser zusätzlich zu erwartende Baustellenverkehr fließt nicht in dieses „professionelle“ Gutachten mit ein.

+ Anliegerverkehr

Der „ungeregelte Anliegerverkehr“ der Bewohner von Olaf-Gulbransson- und Neureuthstraße ist nach Ansicht des Gutachtens …. „tendenziell zu vernachlässigen“ und “ der Begegnungsverkehr insbesondere nach Ertüchtigung der Olaf -Gulbransson-Straße handelbar“. Schauen wir uns die ertüchtigte Olaf-Gulbransson-Str. mal an, wobei das untere Bild links noch nicht einmal die engste Stelle der OGStr. darstellt. Begegnungsverkehr mit LKWs ist weder hier, noch auf weiten Teilen der Neureuthstraße. möglich. Denn auch der Zustand der Neureuthstraße ist völlig ungenügend, um die zu erwartenden Verkehrsmengen zu bewältigen. Die Straße hat in weiten Teilen keinen Bürgersteig, hat keine ausreichende Breite, ist durchgängig steil und hat unübersichtliche Kurven (Bild, re.).

Hier ein Beispiel aus der erneuerten Olaf-Gulbransson-Strasse von Oktober 2023.
Hier ein Beispiel aus der erneuerten Olaf-Gulbransson-Strasse von Oktober 2023.
Ein mittlelgroßer LKW mit Anhänger in der Neureuthstraße 2023.
Ein mittlelgroßer LKW mit Anhänger in der Neureuthstraße 2023.

Das wissen natürlich auch die Verfasser, denn sie schreiben anderswo in ihrem Gutachten,

  • „dass die Betrachtungen vom Ausschluss eines Begegnungsverkehrs in der OGStr.  Str. ausgehen“. Und:
  • „Es wird unterstellt, dass auf der gesamten Strecke absolutes Halteverbot besteht“.

Post, Kuriersendungen, Pakete, Getränkelieferungen, Möbellieferungen sowie handwerkliche Dienstleistungen können hier aber nicht zu Fuß oder mit einem Lastenfahrrad ausgeliefert werden wie in einer „innerstädtischen“ Großstadtlage. Lieferanten und Handwerker sind darauf angewiesen, vor den betreffenden Gebäuden der Anwohner halten zu können. Ein absolutes Halteverbot wäre völlig lebensfremd, der Begegnungsverkehr wird nicht zu vernachlässigen sein und kann daher auch nicht ausgeschlossen werden. 

Wie passt das mit dem Durchführungsvertrag zusammen?

Dieser nicht öffentliche Durchführungsvertrag zwischen der Stadt Tegernsee und Herrn A. Greither enthält nämlich unter anderem folgende Vorgabe:

 „Die Baumaßnahmen sind so zu koordinieren, dass die Straßen für den öffentlichen Verkehr jederzeit zu befahren und zu begehen sind.“

Allerdings haben sich weder die Stadt Tegernsee, noch der Vorhabenträger Greither während der 3-jährigen „Ertüchtigung“ der Olaf-Gulbransson-Straße an die Vorgaben des Durchführungsvertrages gehalten. Wochen- und monatelange Vollsperrungen wurden teils maximal kurzfristig und rücksichtslos durchgesetzt. Es ist daher davon auszugehen, dass auch im weiteren Bauverlauf an diesem brachialen Verhalten festgehalten wird. 

Nur wird in Zukunft der halbe Ort Tegernsee davon betroffen sein.

Die kreativen Rechenbemühungen des Gutachtens sowie die darin gemachten vagen Angaben zum weiteren, massiven Baustellenverkehr unter völliger Ausblendung der örtlichen Gegebenheiten und Verkehrssicherheit dienen nur einem Zweck: 

Die Öffentlichkeit über den tatsächlich zu erwartenden Verkehrs-Tsunami zu täuschen. Anders ist der wirklichkeitsferne Inhalt des Baustellen-Logistik Gutachtens nicht zu erklären.

 

In Kürze lesen Sie hier weitere Ausführungen zu den umweltbezogenen Auswirkungen der Bau- und Verkehrslogistik.